Die Bundesregierung und das Robert-Koch-Institut sprechen spätestens seit dem 10. März 2020 von einer „Epidemie“. Eine gerichtliche Entscheidung, ob das Coronavirus ein Fall „höherer Gewalt“ ist und ab welchem Zeitpunkt sowie für welche Regionen im Einzelnen davon auszugehen ist, steht jedoch noch aus.
Rechtlich bedeutet das Vorliegen höherer Gewalt, dass der jeweils Leistungspflichtige regelmäßig für die Zeit des Force Majeure-Ereignisses von seiner Pflicht zur Leistung vorübergehend frei wird bzw. sich Leistungsfristen verlängern können. Damit treffen die Auswirkungen und Schäden des Force Majeure-Ereignisses die Parteien jeweils selbst. Je nach Gestaltung der Klausel ist es den Parteien erlaubt, sich bei länger anhaltenden Leistungshindernissen auch vom Vertrag zu lösen. Zu berücksichtigen ist aber, dass die zur charakteristischen Leistung (Lieferung, Veranstaltungsdurchführung, Transport usw.) verpflichtete Partei alles Zumutbare tun muss, um den Eintritt des Force Majeure-Ereignisses zu verhindern bzw. zu überwinden. Sie bzw. Ihr Unternehmen treffen insoweit insbesondere Vorsorge-, Sorgfalts- und u.U. Ersatzbeschaffungspflichten. Daher schließt ein generelles Force Majeure-Ereignis auch nicht ohne weiteres Schadensersatzansprüche des Vertragspartners aus. Dies gilt vor allem dann, wenn eine Garantie oder ein besonderes Leistungsrisiko übernommen wurde.
Trotz des generellen Pandemiecharakters des Coronavirus im jetzigen Stadium des Ausbruchs muss außerdem stets im Einzelfall geprüft werden:
Enthält das jeweilige Vertragsverhältnis eine Force-Majeure-Klausel?
Erfasst diese explizit oder im Zuge der Auslegung Pandemien und Epidemien?
Ist das konkrete Leistungshindernis (Produktions- oder Lieferungsausfall, Transportprobleme, Veranstaltungsabsage usw.) unmittelbar (z.B. aufgrund behördlicher Schließungsanordnung der Produktionsanlage oder Veranstaltungsverbot) oder nur mittelbar auf das Coronavirus zurückzuführen? Die Übergänge können – auch aufgrund der sich stetig ändernden Sach- und Erkenntnislage – fließend sein.
Darüber hinaus können Force Majeure-Klauseln, die zu weitgehend geregelt sind, in Form von Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sein. Unter Umständen kann dies dazu führen, dass sich derjenige, der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen gestellt hat, nicht auf „Force Majeure“ aufgrund der Auswirkungen des Coronavirus berufen kann.
Schlussendlich muss die Vertragspartei, die sich auf Force Majeure wegen des Coronavirus beruft, alle Informations-, Anzeige- und Nachweispflichten einhalten. Daher sollte eine Force Majeure-Einwendung nicht nur rechtzeitig, sondern auch in rechtlicher als auch tatsächlicher Hinsicht fundiert erfolgen.
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