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AutorenbildRainer Proksch

Verträge und Corona



Grundsatz: Verträge sind einzuhalten Grundsätzlich gilt, dass einmal geschlossene Verträge einzuhalten sind. Die Vertragspartner haben sich auf einen bestimmten Vertragsinhalt geeinigt, die zu erbringende Leistung und die entsprechende Gegenleistung, also den Preis ausgehandelt und Lieferzeiten festgelegt. Wie allerdings angesichts der dynamischen Entwicklung der Corona-Pandemie festzustellen ist, werden nun vermehrt bereits geschlossene Verträge storniert oder der Vertragspartner verlangt eine Anpassung des Vertrags, weil „höhere Gewalt“ bzw. „force majeure“ vorliegen soll. Andere weisen darauf hin, dass Lieferketten z. B. mit Ersatzteilen aus dem Ausland unterbrochen werden und deshalb ein Auftrag nicht erfüllt werden könne oder nun teurer würde.

Genaue Betrachtung des Einzelfalls erforderlich So einfach liegt der Fall aber nicht. Eine schematische Lösung gibt es nicht. Ob ein Vertrag wegen „höherer Gewalt“ aufgelöst wird oder angepasst werden kann, ist stets eine Frage des Einzelfalls und muss genau überprüft werden.

Überprüfung vertraglicher Regelungen Der erste Blick sollte in den Vertrag selbst gehen. Ist dort oder ggf. in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) etwas geregelt für den Fall der „höheren Gewalt“ und ist dort vielleicht sogar abschließend definiert worden, was unter „höherer Gewalt“ zu verstehen ist? Enthält der Vertrag oder die AGB eine Regelung zur „höheren Gewalt“, gelten die im Vertrag individuell getroffenen Regelungen und Rechtsfolgen.

Enthält der Vertrag keine Regelung, gelten die gesetzlichen Bestimmungen Gibt es entsprechende Regelungen nicht, gelten die gesetzlichen Bestimmungen aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Hier ist zunächst zu unterscheiden, ob es überhaupt noch möglich ist, die vertragliche Leistung zu erbringen, oder ob dies zwar möglich ist, sich aber die Umstände so massiv verändert haben, dass der Vertrag entweder angepasst werden muss oder sich die Parteien davon lösen können. Variante 1: Vertragliche Leistung kann nicht mehr erbracht werden Kann die vertragliche Leistung nicht mehr erbracht werden, weil z. B. ein fixer Termin vereinbart war, liegt ein Fall der sogenannten Unmöglichkeit (§ 275 BGB) vor. Hier kann sich der Leistungspflichtige auf die Unmöglichkeit berufen und wird von seiner Verpflichtung frei, er verliert aber im Gegenzug seinen Vergütungsanspruch (§ 326 BGB) bzw. er muss eine bereits erhaltene Vorschusszahlung zurückzahlen. Liegt z. B. wegen der Unterbrechung einer Lieferkette eine vorübergehende Unmöglichkeit der Leistungserbringung vor (der bestellte Handwerker bekommt das in China bestellte Ersatzteil derzeit nicht), kann der Leistungspflichtige die Leistung verweigern, er bekommt aber keine Vergütung.

Variante 2: Leistung ist noch möglich, aber erschwert Anders liegt der Fall, wenn die zu erbringende Leistung zwar noch möglich ist (das Ersatzteil kann in einem anderen Land bestellt werden), aber die Leistungserbringung ist erheblich erschwert (es gibt umfangreiche Zollformalitäten oder erhebliche Zusatzkosten). In diesem Fall kann eine sogenannte „Störung der Geschäftsgrundlage“ oder gar ein „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ vorliegen, § 313 BGB. Hier kann die von der Störung betroffene Vertragspartei (z. B. der Lieferant) verlangen, entweder den Vertrag anzupassen (z. B. durch eine Veränderung der Erbringungszeit oder Erhöhung des Preises) oder im Einzelfall einen Vertrag auch kündigen.

Anpassung des Vertrags? Eine Partei kann verlangen, den Vertrag anzupassen, wenn ihr ein Festhalten daran unzumutbar ist, sich die Umstände, die bei Abschluss die Grundlage des Vertrags waren, nach Vertragsschluss schwerwiegend geändert haben und die Parteien, wenn sie seinerzeit die Veränderung vorausgesehen hätten, den Vertrag nicht oder zumindest nicht mit diesem Inhalt geschlossen hätten. Entscheidend ist allerdings, dass die Störung der geschäftlichen Grundlage nicht in den Risikobereich der beeinträchtigten Partei gehört und sie deshalb dieses Risiko zu tragen hätte. Hier kann es insbesondere entscheidend darauf ankommen, was Vertragsinhalt war und wann der Vertrag geschlossen wurde. 

Zeitpunkt des Vertragsschlusses entscheidend Es liegt auf der Hand: Wer nach dem ersten verstärkten Auftreten der Corona-Infektionen in Oberitalien noch einen Liefervertrag mit einem Mailänder Modefabrikanten abschloss, um dann anschließend die Bekleidung in Deutschland an einzelne Abnehmer weiterzuverkaufen, wird sich gegenüber seinen Abnehmern dann nicht mit Erfolg auf eine Störung oder einen Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen können. Denn er hätte bei seinen Vertragsschlüssen mit seinen Abnehmern die Lieferstörung vorhersehen oder zumindest ahnen können. Es wird auch verstärkt vertreten, dass sogar ungeachtet des Zeitpunkts des Vertragsschlusses die Herstellung oder die Lieferung von Produkten ausschließlich der Risikosphäre des Lieferanten zuzuordnen ist, da er ja den Lieferanten ausgesucht hat. War die Störung allerdings nicht absehbar, ist im nächsten Schritt zu prüfen, ob der Vertrag mit den Abnehmern z. B. im Hinblick auf Lieferzeiten oder Preis anzupassen ist, oder ob es der beeinträchtigten Partei schlichtweg unzumutbar ist, dass sie an dem Vertrag noch festgehalten wird. Das wäre z. B. der Fall, wenn ein Abebben der Infektionszahlen in Mailand zeitlich überhaupt nicht absehbar ist. In diesem Fall kann die benachteiligte Partei (also der Zwischenhändler) vom Vertrag zurücktreten. Dies ist aber nach dem gesetzgeberischen Willen die absolute Ausnahme.

Fazit Es ist je nach Einzelfall genauestens zu überprüfen, ob sich die Grundlage des geschlossenen Vertrags so schwerwiegend verändert hat, dass der Vertrag angepasst werden muss oder sich die nun benachteiligte Partei davon durch einen Rücktritt lösen kann. Entscheidend ist u. a., ob die benachteiligte Partei die Störung hätte vorhersehen können. Im Falle eines unberechtigten Anpassungsverlangens oder unberechtigten Rücktritts drohen im Zweifel Schadenersatzforderungen.

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