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AutorenbildRainer Proksch

Öffentliche Baustellen und Corona


Zusammenfassung:


Weiter bauen trotz Corona

Auf den Baustellen des Bundes wird trotz Corona-Krise weiter gebaut. Baumaßnahmen werden erst eingestellt, wenn behördliche Maßnahmen dazu zwingen.


Bauablaufsstörungen im Einzelfall prüfen

Nicht jede Verzögerung des Bauablaufs durch die Corona-Pandemie ist ein Fall höherer Gewalt. Die Voraussetzungen hierfür sind streng. Auftraggeber müssen jeden Einzelfall einer Bauverzögerung prüfen.


Höhere Gewalt nur wenn unabwendbar

Höhere Gewalt liegt nur vor, wenn der Auftragnehmer unter keinen Umständen die Ursachen für eine Bauverzögerung abwenden kann.


Letzte Zweifel unschädlich

Beruft sich ein Auftragnehmer auf höhere Gewalt, reicht es aus, wenn er Tatsachen vorträgt, die das Vorliegen höherer Gewalt überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen.


Ausführlich:

Fortführung der Baumaßnahmen Gesundheitsschutz hat auch im Baubereich Priorität. Auf den Baustellen des Bundes sind die Gefahren der Ansteckung mit dem Coronavirus und seiner Verbreitung durch baustellenspezifische Regelung soweit wie möglich zu minimieren. Eine besondere Bedeutung kommt in dieser Situation dem Sicherheits- und Gesundheitskoordinator nach § 3 BaustellenV zu. Es ist sicherzustellen, dass dieser entsprechend tätig wird. Darüber hinaus verweise ich auf die Empfehlungen der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft. Unter diesen Maßgaben sollen die Baustellen des Bundes möglichst weiter betrieben werden. Baumaßnahmen sollen erst eingestellt werden, wenn behördliche Maßnahmen dazu zwingen (z. B. Betretensverbote) oder aufgrund behördlicher Maßnahmen ein sinnvoller Weiterbetrieb nicht möglich ist (z. B. weil überwiegende Teile der Beschäftigten des Auftragnehmers unter Quarantäne gestellt worden sind). Dies ist eine Frage des Einzelfalls. II. Handhabung von Bauablaufstörungen Berlin, 23.03.2020 Seite 2 von 4 Die sich ausbreitende Corona-Pandemie kann Auswirkungen auf die Bauabläufe haben. Zum vertragsrechtlichen Umgang mit Bauablaufstörungen gebe ich folgende Hinweise: Die Corona-Pandemie ist grundsätzlich geeignet, den Tatbestand der höheren Gewalt im Sinne von § 6 Abs. 2 Nr. 1 lit. c VOB/B auszulösen. Höhere Gewalt ist ein unvorhersehbares, von außen einwirkendes Ereignis, das auch durch äußerste, nach der Sachlage zu erwartende Sorgfalt wirtschaftlich vertretbar nicht abgewendet werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit hinzunehmen ist. Das Vorliegen dieser strengen Voraussetzungen kann auch in der jetzigen Ausnahmesituation nicht pauschal angenommen werden, sondern muss im Einzelfall geprüft werden. Grundsätzlich muss derjenige, der sich darauf beruft, die die höhere Gewalt begründenden Umstände darlegen und ggf. beweisen. Beruft sich der Unternehmer also auf höhere Gewalt, müsste er darlegen, warum er seine Leistung nicht erbringen kann. Das kann z.B. der Fall sein, weil - ein Großteil der Beschäftigten behördenseitig unter Quarantäne gestellt ist und er auf dem Arbeitsmarkt oder durch Nachunternehmer keinen Ersatz finden kann, - seine Beschäftigten aufgrund von Reisebeschränkungen die Baustelle nicht erreichen können und kein Ersatz möglich ist, - er kein Baumaterial beschaffen kann. Kostensteigerungen sind dabei nicht grundsätzlich unzumutbar. Die Darlegungen des Auftragnehmers müssen das Vorliegen höherer Gewalt als überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen, ohne dass sämtliche Zweifel ausgeräumt sein müssen. Auf Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Bescheinigungen und Nachweisen ist mit Blick auf die Überlastung von Behörden und die stark reduzierte Geschäftstätigkeit der Privatwirtschaft Rücksicht zu nehmen. Dies bedeutet, die vom Auftragnehmer geforderten Darlegungen im Einzelfall mit Augenmaß, Pragmatismus und mit Blick auf die Gesamtsituation zu handhaben. Der bloße Hinweis auf die Corona-Pandemie und eine rein vorsorgliche Arbeitseinstellung erfüllt den Tatbestand der höheren Gewalt aber nicht. Ebenso bitte ich um besonderes Augenmerk, falls der Auftragnehmer schon bei der bisherigen Leistungserbringung Schwierigkeiten hatte und sich nun auf die Corona-Pandemie beruft. Höhere Gewalt kann auch auf Seiten des Auftraggebers eintreten, beispielsweise, weil die Projektleitung unter Quarantäne gestellt wird. Dabei wäre dann – entsprechend der an die Auftragnehmer gestellten Anforderungen und nach denselben Maßstäben – zu dokumentieren, dass und warum die Projektleitung nicht aus dem Homeoffice erfolgen kann, oder dass und warum keine Vertretung organisiert werden kann. Berlin, 23.03.2020 Seite 3 von 4 Falls das Vorliegen höherer Gewalt im Einzelfall angenommen werden kann, verlängern sich Ausführungsfristen automatisch um die Dauer der Behinderung zzgl. eines angemessenen Zuschlags für die Wiederaufnahme der Arbeiten (§ 6 Abs. 4 VOB/B). Beruft sich der Auftragnehmer nach den o.g. Maßstäben zu recht auf höhere Gewalt, entstehen gegen ihn keine Schadens- oder Entschädigungsansprüche. Bei höherer Gewalt gerät auch der Auftraggeber nicht in Annahmeverzug; die Voraussetzungen des § 642 BGB liegen nicht vor (vgl. BGH, Urteil vom 20.4.2017 – VII ZR 194/13; die dortigen Ausführungen zu außergewöhnlich ungünstigen Witterungsverhältnisses sind nach hiesiger Ansicht – erst recht – auf eine Pandemie übertragbar). Das gilt insbesondere auch für Fallkonstellationen, in denen ein Vorgewerk aufgrund höherer Gewalt nicht rechtzeitig erbracht werden kann und nun das nachfolgende Gewerk deswegen Ansprüche wegen Behinderung gegen den Auftraggeber erhebt. III. Zahlungen Die unverzügliche Prüfung und Begleichung von Rechnungen hat in der jetzigen Situation einen besonders hohen Stellenwert. Die Dienststellen sind gehalten, dies durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen. Ich weise ausdrücklich auf die Möglichkeit hin, gegen Bürgschaftsleistung des Auftragnehmers Vorauszahlungen zu leisten (§ 16 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B). Ob dies zur Fortführung der Baumaßnahme sinnvoll ist, ist im Einzelfall zu entscheiden. Falls Vorauszahlungen geleistet werden, sind Zinsen dafür nicht zu fordern (vgl. § 16 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 VOB/B). Im Kassenwesen können papierhafte Belege soweit erforderlich ausnahmsweise auch dann angeordnet werden, wenn die Feststellung der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit nicht wie üblich handschriftlich auf der Rechnung, sondern lediglich in gesonderter Mail, die dem Beleg ausgedruckt beizufügen ist, erfolgt. Die Bescheinigung muss klar den Bescheinigenden erkennen lassen und zweifelsfrei der Rechnung zuzuordnen sein. IV. Inkrafttreten Der Erlass gilt mit sofortiger Wirkung. Die Fachaufsicht führenden Ebenen sind angehalten, diesen Erlass unverzüglich an die baudurchführenden Ebenen weiterzugeben. Aufgrund der sich dynamisch entwickelnden Situation weise ich darauf hin, dass weitere ergänzende, ggf. auch das Vorstehende ändernde Regelungen ergehen können. Berlin, 23.03.2020 Seite 4 von 4 Zu vergaberechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie ist ein gesonderter Erlass vorgesehen.

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